Mainz
Im Rahmen eines sehr feinen Street Photowalks in Mainz hatte ich die Ehre an dem 3 Blickwinkel Projekt des wunderbaren NRW35 Kollektiv als Gast dabei zu sein. Daniel hat mich dann noch gebeten einen Erfahrungsbericht darüber zu schreiben, was ich hiermit gerne mache. Das Wetter hätte noch etwas besser sein können, aber mit dieser tollen Gruppe spielte das Wetter schnell keine große Rolle mehr. Wir hatten unseren Spaß und sind ca. 13 km durch Mainz marschiert. In diesem Sinne vielen Dank an Daniel Schilling (mit Viola), Sabine Mondorf (mit Stefan) und Peter Emig. Und natürlich auch an Achim Katzberg und seiner lieben Gattin …. Der gute Achim war sozusagen (für ihn unbewusst) der Auslöser dieses großartigen Treffens. Ihn haben wir am Abend dann in Harxheim mit einem Besuch überrascht und dort seine beeindruckenden Fotos in seiner Ausstellung „Choreografie des Zufalls“ bei einigen Gläsern Wein und in geselliger Runde genossen.
Die 3 Blickwinkel – Ein Erfahrungsbericht eines außergewöhnlichen Street Walks:
Der Morgen begann ruhig. Der Zug von Mainz nach Frankfurt trotzte dem Regen, der sich an den Fensterscheiben entlang perlte. Ich war noch in einem leichten Morning Blues und saß entspannt im Zug und freute mich auf den Tag. Die Finger gekreuzt in der Hoffnung, es würde nicht nur Regnen. Und so sollte es bis auf einige kurze Ausnahmen auch kommen.
Am Bahnhof angekommen traf ich dann Daniel in Begleitung von Viola. Nach einem kurzen Willkommensritual ging es dann los und wir liefen mit unseren Kameras durch das Mainzer Bahnhofsviertel. Wenig später holten wir noch Peter vom Bahnhof ab und kurz darauf trafen wir Sabine in Begleitung von Stefan. Die Gruppe war komplett und nach einem weiteren Willkommensritual war Mainz nicht mehr zu retten und wir fotografierten was das Zeug hielt. Peter, ein Meenzer Bub, gab uns die Richtung vor.
Nach einigen Kilometern, tausendfachen Auslösungen, Kamera Gestrunze und mehreren Überlegungen zu dem Ort, an dem die Blickwinkel stattfinden sollten, kam Daniel dann ziemlich spontan die Idee, doch einfach in den Dom zu gehen. Dort drinnen war bisher keiner von uns gewesen. Wir wussten also überhaupt nicht was uns erwarten würde. Back To The Dom also und wir kehrten der Altstadt wieder den Rücken, in die wir gerade marschierten und gingen zurück zum Dom wo sich der samstägliche Mainzer Wochenmarkt gerade dem Ende zuneigte.
Als wir nun am Eingang standen, schossen mir einige Fragen durch den Kopf: Wie würde das Licht sein? Welche Einstellungen bei Low Light, welche Linse, und würde ich das überhaupt hinbekommen in der kurzen Zeit? 33 Minuten, 3 Fotografen, jeder 3 Fotos. Das war die Ansage.
Nun ging es also los. Wir machten uns bereit, checkten unsere Kameras und polierten die Objektive (aus dramaturgischen Gründen). Als Technik und Menschen bereit waren, schritten Sabine und Daniel mutig voran und ich verweilte noch kurz am Vorplatz. Doch hier fand ich kein Motiv, bis auf einen Obdachlosen, der ein paar Kerzen verkaufte. Doch wollte ich dieses Foto machen? Nein, nicht wirklich. Also mit der Touristenflut hinein in den Dom.
Das erste was ich sah war, dass ich fast nichts sah. Das Licht war wirklich sehr schlecht und meine Augen mussten sich zuerst kurz daran gewöhnen. Auch durch die großen verzierten Fenster drang nicht sonderlich viel Licht in das mächtige Gebäude ein. Wie eine Motte wurde ich aber schnell von dem Licht der Opferkerzen angezogen. So kam ich direkt in den Flow, die Kerzen gaben mir Licht und ich traute mich sehr nah an meine Motive heran, die dort sehr mit sich selbst und dem Anzünden von Kerzen beschäftigt waren. Ich dachte nicht viel darüber nach ob sich vielleicht jemand beschweren könnte und war nur mit dem Gedanken beschäftigt, dass ich in 33 Minuten 3 brauchbare Fotos liefern musste. Manchmal kann ein gewisser Druck eben auch nützlich sein. Ich fotografierte also einfach, als wäre es etwas ganz Natürliches. Keine Unsicherheit, keine Scheu aber durchaus Respekt vor den Besuchern. Natürlich wollte ich diese nicht stören.
Mein Selbstvertrauen stieg an, als ich die ersten guten Fotos im Kasten hatte. „Super, das macht richtig Laune“, dachte ich mir und wollte weiter gehen. Denn drei Blickwinkel nahm ich dann doch recht wörtlich. Ich versuchte weitere Motive in der gesamten Kirche zu finden. Gar nicht so leicht. Die Kerzen waren der Ort mit dem meisten Licht gewesen. Ich erhoffte mir, dass ich im großen Mittelschiff der Kirche auch noch das ein oder andere gute Motiv geboten bekommen würde. Hier wurde es aber schwieriger. Viele Menschen wuselten zwischen den Bänken herum. Wenige, die man freistellen konnte. Doch dann saß da dieser junge Mann mit der beeindruckenden Kette um den Hals und war vertieft im Gebet. Irgendwie fand ich ihn faszinierend. Ich setze mich hinter ihm auf die Bank und versuchte die Stimmung in ihm und um ihn herum einzufangen. Ich fragte mich, was wohl in seinem Kopf gerade vorgehen musste, während ich ihn fotografierte und hoffte, das Foto würde gut werden. Man bedenke, ich hatte jetzt nur noch eine 1/25s eingestellt bei 23mm (KB Äquivalent zu 35mm) und war schon bei Blende 1.6 angekommen. Den ISO Wert wollte ich so niedrig wie möglich halten und ließ ihn hier nicht über 1600 klettern. Vielleicht wäre ein etwas höherer Wert aber besser gewesen. Dennoch ist das Foto gelungen. Ich denke im Nachhinein ist es sogar mein Favorit. Aber zu diesem Zeitpunkt wusste ich das noch nicht. Auch nicht, dass ich meine 3 Fotos eigentlich schon hatte.
Ich schaute auf die Uhr. Noch ca. 15 Minuten und ich war innerhalb des Doms noch nicht sehr weit gekommen. Hatte ich überhaupt schon ein gutes Foto? Vielleicht eins, aber drei? Keine Zeit zum langen durchsehen der Fotos.
„Jetzt aber los!“ war mein Gedanke und ich wurde etwas unruhiger. Ich versuchte alle Ecken im Dom abzulaufen, was mir nicht mehr gelang und als mir Daniel begegnete und sagte, dass es auch noch eine Art Garten geben würde, musste ich natürlich auch noch dorthin und es ging los und mein Kopf ratterte wieder: „Aber erst noch in die Krypta, nein zu Dunkel hier! Wieder heraus. Die Fenster da sehen ja auch ziemlich interessant aus, vielleicht was mit Silhouetten davor? Nicht gelungen, weiter gehen, obwohl wenn ich länger warten würde? Nein, keine Zeit. Hinaus in den Garten, ein paar Motive brauche ich noch!“
Und es wurde hell und ich entspannte mich wieder etwas. Das Licht erfreute mich so sehr, ich war mir sicher, hier würde ich ein paar gute Fotos machen.
Uhrenvergleich: Noch 5 Minuten und ich war mitten im Domgarten und hatte gefühlt noch kein einziges Motiv hier draußen gefunden, obwohl ich doch eben noch so sicher war. Und wieder kam es „JETZT ABER LOS!“ und ich wechselte in eine Art Guerilla Modus und zögerte keine Sekunde, wenn ich ein Motiv sah und war wieder sehr nah dran an den Menschen. Interessant: Kein Mensch sagte etwas oder nahm mich so richtig wahr. Durchaus gab es Blickkontakte in die Kamera, aber ich zog einfach weiter, machte meine Fotos und das war es. Alles war gut und dann war die Zeit herum und vielleicht auch ein paar gute Fotos auf der Speicherkarte.
Geschafft! Jetzt hatten wir erstmal doorscht und uns eine Pause verdient und freuten uns auch schon auf die baldigen Weine und das Treffen mit Achim.
Fazit:
In letzten 15 Minuten wurde ich unruhiger und in den letzten 5 Minuten wollte ich nochmal alles geben. In den Ersten 15 Minuten war ich noch entspannt und war in einem Flow. Die besseren Fotos sind in den ersten 15 Minuten entstanden.
Die Fotografie ist eben kein Sport. Die Fotografie braucht oft Zeit. Natürlich halten wir in der Street Photography Momente fest, die oft nur flüchtig sind und uns bleiben dafür manchmal nur ein paar Sekunden. Dafür bekommt man irgendwann ein Gefühl und durch regelmäßiges Training werden die Bilder besser. Aber gleich 3 gelungene Fotos in 33 Minuten zu liefern dürfte für jeden Street Fotografen erstmal eine Herausforderung darstellen. Durch die begrenzte Zeit und dem vorgegebenen Pensum fühlte ich mich jedenfalls sehr herausgefordert. Das ist sehr spannend und eine wichtige Erfahrung gewesen. Der Druck, der sich in der Halbzeit aufbaute, ist ein ähnlicher, den ich manchmal beim Fotografieren von Veranstaltungen spüre, wo es drauf ankommt etwas zu liefern. Wahrscheinlich kennt auch jeder Berufsfotograf diesen Druck, der in einer bestimmten Zeit etwas Qualitatives abliefern muss. Auch im Urlaub oder in fremden Städten, wenn man nicht viel Zeit hat für einen Ort, kommt diesers Gefühl manchmal auf. Man möchte möglichst alles sehen, was aber einfach nicht geht in dieser kurzen Zeit. Man muss sich beschränken auf das Wesentliche und sich nicht in den Kopf setzten unbedingt alles sehen zu müssen. Denn unter zu viel Druck kann die Kreativität natürlich auch leiden oder ganz verloren gehen. Aber bei der eher spielerischen Art der 3 Blickwinkel wird sie herausgefordert und längerfristig sogar gefördert und man lernt für sich selbst Strategien wie man sich vielleicht besser in so einer knappen Zeit strukturieren kann. Zum Beispiel würde ich das nächste Mal versuchen innerhalb des Themas kleine Serien zu einem separaten Thema zu fotografieren. So ähnlich wie das die Kollegen gemacht haben. Außerdem würde ich versuchen mir selbst weniger Druck zu machen und zuversichtlicher zu sein, dass ich meine 3 Fotos machen werde oder eben nicht alle perfekt werden müssen. Die Fotos machte ich nämlich wie gesagt in den ersten 15 Minuten, in denen ich noch entspannter war.
Die 3 Blickwinkel sind also eine gute und herausfordernde fotografische Challenge, die richtig Spaß macht. Man lernt mit dem Zeitdruck umzugehen und wie man darauf reagiert. Und dann auch noch in einer Umgebung, die man überhaupt nicht kennt. Es lohnt sich. Im besten Fall hat man am Ende drei tolle Fotos und wenn nicht… Naja, davon geht die Welt auch nicht unter und man hatte hoffentlich Spaß und ist um eine Erfahrung reicher. Absolut spannend.
Danke, dass ich mitmachen durfte. Gerne wieder.
-Stefan Lauterbach-
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